#Ulrich Sonnemann
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…anders als in Frankreich, wo es von vornherein, bereits in der prärevolutionären Zeit vom späten siebzehnten Jahrhundert an bis zur großen Revolution, einen dauernden Austausch gegeben hat zwischen der Welt der Institutionen und der des kritischen Wortes, ist die Literatur in Deutschland das geblieben, was sie nach den Charakterisierungen des von Ihnen zitierten Satzes in Deutschland eben heute nicht ist. Das heißt, es ist etwas – das entspricht dem deutschen Kulturbegriff leider im ganzen –, was sozusagen Dekoration ist; was nichts zu tun hat mit dem, was in der Wirklichkeit geschieht. Kultur ist selber nicht der Zustand der Menschen, es hat nichts mit der Freiheit ihres Verhaltens zu tun, sondern es ist gerade das, was den Ausgleich schaffen soll in Mußestunden für die Misere des Alltagslebens Und das ist ein unerträglicher Kulturbegriff in sich selber…
[Ulrich Sonnemann im Gespräch mit Heinrich Kalbfuß] Sonnemann, Ulrich (2020/1970): Nachgefragt. Zu den ›Schulen der Sprachlosigkeit‹, in: Ders.: Land der Sprachlosigkeit. Deutsche Reflexionen (4), Schriften Band 7, zu Klampen Verlag, Springe, S. 170.
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Notizen aus :
Martin Mettin_Verdrängter Sinn. Zu Ulrich Sonnemanns kritischer Theorie des Hörens.
“okulare hellenische Philosophie” - tradition des Sehens die sich in Bildern einrichtet und dem Gesehenen “Evidenz”, also Wahrheitsgehalt zuschreibt:
theoria (griech.), bedeutet wörtlich “Schau”
Das Sehen und das Auge; die Vision und ihre Modalitäten als dominierende Instrumente der Einsicht, des Erkennens.
Licht als Metapher der Wahrheit (Höhlengleichnis).
Verdrängung des Hörens und seiner geistesgeschichtlichen Potentiale: Im Hören erhält auch das Vergangene und das Zukünftige eine wahrheitstheoretische Bedeutung, da es sich nicht, wie das Sehen, auf die Existenz von etwas beruft, was gegenwärtig sichtbar ist (eine Tendenz zur “Feststellung und zur räumlichen Fixierung)”.
“Sehen nimmt im Laufe der Kulturgschichte eine immer stärkere Tendenz zum verdinglichen und instrumentellen Registrieren an undverbindet sich darin mit den instrumentellen und herrschaftsförmigen Aspekten im Aufklärungsprozess selbst. Aufklärung wird zu ihrem Gegenteil. "Statt die Dinge besser zu sehen, sehen die Menschen gar nichts mehr.”
Hören = Dunkelheit (abwesenheit von Licht → Vision)
“Als verdrängter fristet der Sinn des Hörens derweil ein Schattendasein in der bürgerlichen Denkwelt. In dieser Dunkelheit hat sich das akustische Sensorium anpassen müssen, es hat Nischen besetzt, jenseits der Hauptorte von Kultur. Das aber ist nicht nur ein Nachteil, wovon etwa die Musikgeschichte zeugt: verhältnismäßig unbehelligt von Herrschaftsfunktionen, gestattet man den Ohren häufiger Zügellosigkeit und hingabevolle Passivität, Phantasieren, Ab- und Ausschweifen, enthusiastischen Überschwang. Den Gefühlsregungen wird hier ein wenig mehr Raum gelassen.”
Atlantis als Ur-trauma, fundamental eine Rolle spielend im Verhältnis von Mensch und Natur, als metaphorische Ursache des in den psychoanalytischen Prinzipien des im Wiederholungszwang verhafteten Destruktivitätsprinzips versus Prinzip des Eingedenken (Erinnern, Beklagen, Ausdrücken des Traumas)
“Insofern wäre Musik, die auf Erinnerung und Eingedenken setzt, statt auf variationslose Wiederholung, Modell für einen möglichen Ausweg aus der Wiederkehr des Traumas”
→ Analogie mit Erinnerungsarbeit in der Psychoanalyse
→ Musik als Instrument der Versöhnung zwischen Mensch und Natur?
#atlantis#martin mettin#hören#verdrängter sinn#ulrich sonnemann#looking for medusa#gorgon#greek mythology#sehen#aufklärung#verhältnis mensch natur
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"Zukunft ist von außen wiederkehrende Erinnerung; daher hat die Gedächtnislosigkeit keine."
Ulrich Sonnemann
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Zukunft ist wiederkehrende Erinnerung, daher hat die Gedächtnislosigkeit keine.
Ulrich Sonnemann
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Lob für die Renovierung der DGH-Duschen
Der Vorsitzende Bernd Bauer (Dritter von rechts) zeichnete bei der Versammlung langjährige Mitglieder aus; es ging aber auch eine Anerkennung an alle, die den Verein auf verschiedene Weise unterstützt haben, unter anderem Robert Henne, Udo Appenzeller, Thomas Schmidt, Ulrich Bauer, Hartmut Antvogel, Michael Lambrecht, Wolfgang Heidrich, Rolf Sonnemann, Arno Burghardt (von links). https://www.einbecker-morgenpost.de/lokales/dassel/nachricht/lob-fuer-die-renovierung-der-dgh-duschen.html?utm_source=social&utm_medium=tumblr
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»In einer Gesellschaft von verkümnmerter Menschlichkeit kann die Lust, wenn man sie als Gegenstand vor sich hat, in welchem Falle sie fremde, nicht eigene ist, im Prinzip nicht geduldet werden: sie bedroht den Zement der Herrschaft.«
Ulrich Sonnemann
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Während das Denken, entgegen Heidegger, kein Sehen ist, gerade aus der Welt der Bilder herauswill, meint der Begriff des physiognomischen Blickes gerade das Umgekehrte, nämlich das Denken des Auges. Wenn es unter deutschen Studenten, wie ihre Emanzipationsaufgabe es ihnen anrät, schon um sich griffe, würden sie den verschwiegenen Generalnenner ihres Verhaltens und des ihrer Todfeinde, die gebärdensüchtige Leere jedes seelenexhibitiven Bekennertums wahrnehmen, seiner Beschwörungen, Beschwichtigungen, Verwahrungen, Entrüstungen und Proteste, des gewaltgläubigen, faktengläubigen Sich-beeindrucken-Lassens, selbst Beeindruckenwollens, der ganzen Mechanik der Druck- und Stoßwelt, die sich selbstgefällig in Europas Herzland erhalten hat und deren Verkehrsordnung so traditionell eine von Druckausübung, Gedrängel, Erpressungen, Einschüchterungen, Rempeleien ist, daß auch gegen sie gekehrt diese Verhaltensarten sie nie revolutionieren könnten.
Sonnemann, Ulrich (1971): Erkenntnis als Widerstand, in: Schweppenhäuser, Hermann (Hg.): Theodor W. Adorno zum Gedächtnis. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M., S. 155f.
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Mehrstimmigkeit suchen: Der Sozialphilosoph Ulrich Sonnemann
von Tobias Heinze und Martin Mettin
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"Spontaneität bleibt in Kritischer Theorie erhalten, weil diese in einem Verhalten besteht, das Freiheit nicht in das ich selbst gewisse Bewusstsein verlegt, sondern als zu verwirklichende begreift. Kritische Theorie fängt mit den Einsichten an, dass Theorie nicht von einem Standpunkt außerhalb der Welt betrieben werden kann, dass aber diese Tatsache nicht umgekehrt bedeuten muss, Theorie könne die Wirklichkeit nur hinnehmen, wie sie ist. Traditionelle Theorie schwankt zwischen diesen beiden Extremen, das Verhältnis von Theorie und Wirklichkeit zu bestimmen, denen aber gemein ist, dass Theorie selbst nicht als Praxis begriffen werden kann, sich die Theorie also selbst undurchsichtig bleiben muss. Kritische Theorie ist eine, die sich selbst als Praxis reflektiert, und das in doppelter Weise. Einerseits durchaus im Sinne Hegels: als Wissenschaft möchte sie die Welt gemäß ihres Begriffes entfalten. Andererseits reflektiert sie auf ihre eigene Bedingtheit: Theorie ist Praxis in einer unfreien Welt, einer solchen also, die mitnichten dem Begriff von Freiheit entspricht. Dieser Umstand nagt auch am Begriff der Freiheit und seiner Bestimmbarkeit. Seine vollendete Bestimmung kann der Begriff erst durch eine seine vollkommene Verwirklichung erhalten. Darum bestimmt Kritische Theorie das Unfreie und negiert es. Auch Spontaneität als absolute ist unfrei. Theorien, die eine widerspruchsfrei positive Bestimmung des Menschen versuchen, schließen die menschliche Fähigkeit zur Spontaneität schon im Vorhinein aus und verhalten sich selbst gerade nicht spontan. [...] Mit Kritischer Theorie ist ein Verhalten gemeint, das an der Möglichkeit der Verwirklichung von Spontaneität festhält, wo sie praktisch verstellt ist."
Schmidt, Mario Cosimo (2021): Spontaneität. Eine Reihe von elf Begriffsskizzen, in: Heinze, Tobias/Mettin, Martin (Hg.): "Denn das Wahre ist das Ganze nicht..." Beiträge zur Negativen Anthropologie Ulrich Sonnemanns, Neofelis Verlag, Berlin, S. 291.
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"Wo denken welches ist, ereignet es sich; läßt nicht sich veranstalten."
Sonnemann, Ulrich (1984): Metaphysische Bestürzung und stürzende Metaphysik. Anmerkungen über ein Denken, das dem Schlußsatz der Negativen Dialektik genügen könnte, in: Naeher, Jürgen (Hg.): Die Negative Dialektik Adornos, Leske Verlag + Budrich GmbH, Opladen, S. 295.
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Das Wort von der verwalteten Welt sollte schließlich nie bedeuten, dass es sich um eine nach rationalen Zwecken organisierte Totalität allen Lebens handele, sondern dass diese Totalität zwar technisch in immer höherem Maße organisiert, also verwaltet ist, die Zwecke dieser Verwaltung aber gerade keine vernünftigen sind. Auch in der verwalteten Welt, der Welt der anonymen Herrschaft, bleibt das Individuum der Dreh- und Angelpunkt. Freilich scheint sich die verwaltete Welt so übermächtig gegenüber den vereinzelten, atomisierten Individuen aufzutürmen, dass jegliche Individualität unmöglich scheint, aber es selbst ist die Vermittlungsinstanz zwischen Lust und Realität, zwischen Notwendigkeit und Freiheit. Nicht darin unterscheidet sich das Individuum heute vom bürgerlichen, sondern darin, dass die Widersprüche jener Vermittlung nur noch selten das Ich und sein Gewissen plagen, sondern bereits in der Organisation des Trieblebens aufgehoben sind. Psychologisch ist das größte Hemmnis der Spontaneität die Angst. Sie kann in unterschiedlichsten Verhaltensweisen in Erscheinung treten: vom lethargischen Zustand bis zur Hyperaktivität. Ihre letzte Stufe ist die Ohnmacht, deren Scheinhaftes nicht mehr durchdrungen werden kann und der Gesellschaft als ein automatischer und unbeeinflussbarer Prozess erscheint. Spontaneität aber ist nicht nur eine Sache des Individuums, sondern sie ist gesellschaftlich »eine Zone der Berührung« (Adorno). Schon die Spontaneität der Sprache macht das deutlich. Gerade die anonyme Herrschaft in der verwalteten Welt ist ja an keine unmittelbare Autorität gebunden. Sie lässt an vielen Stellen einen Eingriff zu, der allerdings darum in der Regel nicht erfolgt, weil die Individuen jene anonyme Autorität längst verinnerlicht und folglich kein Organ mehr für die Möglichkeit des Eingriffs haben. Psychologie und damit auch die Psychoanalyse, müsste sich der Aufgabe widmen, wie in der heutigen Situation das Ich gestärkt werden kann. Wahrscheinlich wäre es zuvor nötig, all jene Pseudo-Formen des Ichs, allen voran den heutigen Glauben an Authentizität, kritisch zu durchleuchten.
Schmidt, Mario Cosimo (2021): Spontaneität. Eine Reihe von elf Begriffsskizzen, in: Heinze, Tobias/Mettin, Martin (Hg.): “Denn das Wahre ist das Ganze nicht…” Beiträge zur Negativen Anthropologie Ulrich Sonnemanns, Neofelis Verlag, Berlin, S. 288f.
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"Von ihren Anfängen an ist Dialektik das Prinzip gewesen, mit welchem Denken sich ins Wort zu fallen, wo das Wort auf Gehorsam, statt auf unterscheidendes Urteil baut, sich gebietet, die schale Täuschung sich verbietet, ein letztes zu haben. Von ihren Anfängen an mißtraut dialektische Philosophie der selbstsicheren Anmaßung des Begriffs, dessen Vermittlerrolle zwischen ihr selbst und dem zu Denkenden sie doch niemals entbehren, den sie nur durch Reflexion dazu erziehen kann, nicht mehr zu beanspruchen als der Gedanke, der sich in ihm verdichtet hat, wirklich faßt, und von ihren Anfängen an keimt in Dialektik schon die Zerstörung jedes autoritären Systemwillens, der den Denkprozess mit dem Trugbild seiner eigenen Abschließbarkeit korrumpiert."
Sonnemann, Ulrich (1987/1968): Jenseits von Ruhe und Unordnung. Zur Negativen Dialektik Adornos, in: Ders.: Tunnelstiche. Reden, Aufzeichnungen, und Essays, Athenäum Verlag, Frankfurt a. M., S. 225f.
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Das Gesetz der Geschichte ist nur so lange eines, wie es dafür gehalten wird, dafür gehalten aber wird es nur so lange, wie die Menschen an der Unabänderbarkeit des bisher Immerwährenden glauben an ihren eigenen Verhaltensstrukturen, das durch eben diesen Glauben sich unentwegt reproduziert. Dieses sich selbst Selbstverständliche, also Unbewußte, will vorab daher reflektiert werden; ins Bewußtsein gehoben sein und in das der Gesellschaft eingehen. Seine Änderung, deren Kern anthropologisch ist: Selbstveränderung des Menschen nach Maßgabe seiner Idee von sich selber, deren spontan Kritisches seine Bestimmung spiegelt, begreift sich zurecht als permanente Revolution.
Sonnemann, Ulrich (2011): Negative Anthropologie, zu Klampen Verlag, Springe, S. 160.
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Indem in der Geschichte des Geistes die durch sie prinzipiierten Menschen, die zugleich ihrerseits diese Geschichte als die der Verwirklichung des Geistes prinzipiieren – Sonnemann hat diese selbstkonstituierte Konstitution als »System-Autismus« (Sonnemann, NA) charakterisiert –; indem sie »die humanen Ideen als wirkende Mächte in die Geschichte selbst verlegten und diese mit deren Triumph endigen ließen« (Horkheimer/Adorno, DdA), wurden sie gerade ihrer Substanz beraubt, in ihrer eigentlichen Bedeutung verkehrt. Dies geschah durch die klassische Geschichtsphilosophie, durch »Christentum, Idealismus und Materialismus«, die die Idee – »das Gute, das in Wahrheit dem Leiden ausgeliefert bleibt« – »als Kraft verkleidet« haben, »die den Gang der Geschichte bestimmt und am Ende triumphiert«. Die Idee, das Gute werden »vergöttert, als Weltgeist oder doch als immanentes Gesetz«. So wird die Unheilsgeschichte der siegreich in der Natur sich etablierenden Gattung – das Grauen des Fortschritts – in den Gang und die Herstellung des Guten umgefälscht; während die Geschichte des Erleidens, des Unterganges des Schwachen, des Hilfsbedürftigen – das um das Gute klagte; unter dem Namen der Idee es einklagte – von dem Triumphbild überblendet und unsichtbar gemacht wird. Die in Macht verfälschte Ohnmacht der Idee »wird durch solche Erhöhung noch einmal verleugnet, gleichsam der Erinnerung entzogen« – damit aber wird sie um die eigentliche Geschichte gebracht: die des ohne Hoffnung Vergangenen, dem die stets triumphale Gegenwart alles schuldet, worum die Geschichte des Fortschritts, die in ihr terminiert, sie betrog.
Schweppenhäuser, Hermann (1994): Über die praktische Nötigung, die Geschichte philosophisch zu denken, in: Eidam/Heinz/Schmied-Kowarzik, Wolfdietrich (Hg.): In memoriam Ulrich Sonnemann. Vorträge und Beiträge zur akademischen Trauerfeier Kassel – Juli 1993, Kasseler Philosophische Schriften31, Kassel, S. 92f.
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Selbstreflexion von Vernunft bedeutet: sich jenes Komplexes, jener Verstrickung von Naturverfallenheit, Naturbeherrschung und Verdrängung zu besinnen und denkend zu vergegenwärtigen. »Aufklärung« – die ihren Namen verdient hat – »ist mehr als Aufklärung, Natur, die in ihrer Entfremdung vernehmbar wird« (DdA, 63), sie ist »Eingedenken der Natur im Subjekt« (DdA, 64). In Horkheimers und Adornos Formulierung scheinbar wiedersinnig anmutend, kommt jene Natur im Menschen zu Wort ausgerechnet im »zuchtlosen Gedanken, der aus dem Banne der Natur heraustritt, indem er als deren eigenes Erzittern vor ihr selbst sich bekennt« (DdA, 64). Der vermeintliche Widersinn der Formulierung lichtet sich jedoch, wenn Geist, dessen Regung der Gedanke ist, und Natur nicht als durchweg unvereinbare Prinzipien vorgestellt werden. Zwar bedeutet Natur im Sinne von Naturverfallenheit einen Bann, indem der Lauf der Dinge ›naturgemäß‹ als unveränderbar, zwangsweise und damit schicksalshaft erscheint. Dieser Bann muss mit den Mitteln der Vernunft durchkreuzt werden, damit Geist überhaupt existieren kann; jedoch nicht mit dem Ziel, alles Naturhafte gänzlich auszutreiben und zu tilgen, sondern um Geist und Natur zu versöhnen. Darum ›erzittert‹ dieser Gedanke (gleichfalls somatisch wie intelligibel), denn er weiß um die schier unendliche Aufgabe solchen Anspruchs, angesichts einer Welt, die von Versöhnung der getrennten Momente denkbar weit entfernt ist; und die nur praktisch wirkliche Versöhnung sein könnte. ›Eingedenken‹ meint hier auch, dass der unversöhnte Zustand fühlbar wird: im widerfahrenden Leid, welches allzu oft nicht sein müsste, wäre die Welt durch die Menschen anders eingerichtet, wie auch im möglichen Glück, das zwar bisweilen erfahren wird, dessen tatsächliche Erfüllung jedoch oft genug vereitelt ist.
Mettin, Martin (2020): Kritische Theorie des Hörens. Untersuchungen zur Philosophie Ulrich Sonnemanns, J. B. Metzler, Berlin, S. 167.
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